Tag 2 der Pressereise ins Garnacha-Land startete zu meinem Glück erst um 9 Uhr. Denn wer mich kennt, weiss, dass ich kein Morgenmensch bin und zwei Stunden brauche, bis ich auf Betriebstemperatur laufe.
Die Reise mit Privatchauffeur und Carolina de Funes, ihres Zeichens Managerin von Asociación Garnacha Origen, führte uns an diesem windstillen Tag zuerst ins P.D.O. Campo de Borja, mit seinem reichen Weinbau-Erbe, zu Aragonesas Bodegas/Winery.
Die ältesten Rebberge in dieser P.D.O. gehen auf 1145 zurück, und mehr als 2’000 Hektar (von 5’000 Hektar) Garnachareben sind zwischen 30 und 50 Jahre alt. Schon imposant finde ich das. Wenn man bedenkt, wie überall in der „alten Weinwelt“ alte Reben ausgerissen werden, um neuen Gewächsen Platz zu machen. Oftmals nur aus einem Grund: der Ertrag wird kleiner. Wer jemals Wein trinken durfte, der aus so alten Reben gekeltert wird, weiss, was Qualität bedeutet. Insofern finde ich es phantastisch, dass eine Weinregion an den alten Reben festhält.
Garnacha ist auch in Campo de Borja die Königin der Reben, und die Winzer setzen alles daran, sie in Perfektion zu kultivieren und zu produzieren.
Zur Erinnerung erzähle ich hier (nochmals) das mit dem Wind: an 300 Tagen saust in dieser Gegend der Wind, und zwar so fest, dass man zum Teil die Autotüre nicht mehr aufbringt. Oder einem die Erde um die Ohren fliegt. Weshalb es dort überall massive Windparks hat, auch in den Rebbergen. Uns wurde also mehrmals gesagt, dass wir einen der restlichen, windstillen Tage erleben dürfen! Dafür war ich dann doch bizzi dankbar. Denn Staub im Mund bei einer Weinbergbesichtigung ist nicht so cool.

Jose Chueca und Ana Chueca (nicht miteinander verwandt!), er: CEO und Laborheld, sie: Export Managerin und Weinerklärerin, haben uns durch diesen Morgen geführt. Im Gegensatz zur ersten Kooperative ist hier die Architektur des Gebäudes sehr modern, geradlinig und kompakt. In Campo de Borja ist es die grösste Kooperative, mit 700 Familien, welche gemeinsam 7 bis 8 Millionen Flaschen Wein produzieren. Sie belegen 55% der Regionenfläche mit ihren diversen Rebbergen, auf denen 60% Garnacha angebaut wird, davon ist 40% alter Rebbestand.
Ana erzählte uns, dass sie pro Jahr gerade mal 300 Liter Regen abbekommen und es sonst sehr trocken ist. Das Klima wird vom Moncayo – höchster Berg im iberischen System – dominiert. Er liegt relativ nahe, und von dorther wehen die massiven Winde durch die darunterliegenden Täler und Flächen. Das Positive an so viel Luftzug ist, dass die Reben sehr schnell trocknen (sollte es regnen oder Morgentau haben) und sie dadurch massiv weniger anfällig für Mehltau oder andere Krankheiten sind.
Nebst Rebbau werden Oliven, Mandeln und Getreide angebaut. Ideal für diese Bedingungen. (Ah! Das habe ich im Beitrag von Borgo San Alejandro vergessen: in diesem P.D.O. werden nebst Reben auch Mandeln und Kirschen kultiviert.)
Insgesamt haben sie 5 Kellermeister, welche in den diversen Kellereien das Sagen haben. Bei total 40 verschiedenen Weinen kann das ja auch nicht nur ein schlauer Kopf machen. Die Kellermeister sind die Köpfe hinter dem, was Aragonesas Bodegas herstellt, und die Auswahl ist doch sehr spannend. Wäre ich eine reine Etikettenkäuferin, würde ich wohl zuerst diesen hier kaufen, der Farbe wegen:

Kurzer Einschub zu den 0.0% Weinen
Auf jedem Weingut gab es einen alkoholfreien Wein, da das anscheinend ein Trend beim jungen Publikum ist. Dazu habe ich eine klare Meinung: willst du alkoholfreien „Wein“, kauf dir Traubensaft. Der ist nur pasteurisiert und hat nicht einen langen Laborprozess hinter sich.
Jemand in unserer Gruppe hat das richtig gesagt: es braucht immense Energie und Arbeit, um aus Reben Wein zu keltern. Diese ganze Arbeit dann wieder rückgängig (zunichte) zu machen, indem die Aromen, der Alkohol und die Säure auseinandergenommen werden, damit sie dann (ohne den Alkohol) wieder zusammengesetzt werden, ist doch völlig blöd. Zudem werden etliche E-Zusatzstoffe und konzentrierter Most von Trauben, Kirschen oder anderen Früchten beigemischt. Ich habe auf der Weinreise 2 x einen probiert, aber davon lasse ich gerne die Finger.
Was ich hingegen spannender finde, ist, dass die Kellereien auch sogenannte „low alcoholic“ Weine herstellen, d.h. die Rotweine haben dann z.B. 12 – 13% Alkohol, was für spanische Rotweine tatsächlich ein niedriger Alkoholgehalt ist. Auch dies einem Trend folgend.
Nun aber retour zu Aragonesas Bodegas/Winery: In diesem Keller lagern 3’200 Barriques, davon sind 80% französische Eiche, schlicht weil die perfekt zur Garnacha-Traube passt. Nur 20% der Barriques sind aus amerikanischer Eiche. Was im Barrique passiert, kannst du hier nachlesen. Diese Kellerei war das erste Weingut, welches einen Garnacha Reserva produziert hat. Pionierarbeit also. Sie sind seit 1984 im Geschäft und führen die Weinanbau-Tradition der Zisterziensermönche vom nahe gelegenen Kloster Veruela weiter. Die bereits 1145 mit Rebbau begonnen haben. Dort liegt ihr Grundstein, den sie mit viel Liebe und Wissen weiterführen.
In einem grossen Raum warteten diverse Weine auf uns, um degustiert zu werden. Ich habe leider nicht alle geschafft, aber zwei, die mir besonders gefallen haben, stelle ich dir hier vor.
„Aragonia Chardonnay“
(Der hoffentlich bald bei Coop erhältlich ist! Im Sortiment wird nämlich bereits der „Aragonia“ 100% Garnacha geführt, den ich noch separat hier zu Hause degustieren und darüber schreiben werde.)
Los gehts: 100% Chardonnay, im Stahltank ausgebaut und wenn immer möglich in der 1. Septemberwoche gelesen, bei 6° serviert, erzählt er mir diese Geschichte:
Die Beine tief in sandiger Erde, die Arme gegen den Himmel gestreckt, sonnengetränkt mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Steht sie da und hat sich ein Parfum von Birnen, Salz und Thymian umgelegt und trägt einen Strauss Blumen in ihrer Hand, den sie aus den trockenen Feldern um sie herum gepflückt hat. Sie trägt eine erfrischende Säure, mit einem guten „Punch“ und ist langanhaltend.
Ein ganz cooler Chardonnay, der meiner Meinung nach viele begeistern wird.
„Solo Centifolia“ – Rosé
100% Garnacha, wird in der 2. Oktoberwoche in der Nacht geerntet, dann wenn die Traube perfekt reif ist. Die Fermentation beginnt mit der Maische für 4 Tage, danach wird diese entfernt und der Most weiter fermentiert. Bei 8° C serviert, erzählt er mir das hier:
Dieser Wein will nicht gefallen, man muss sich ihn erarbeiten. Die Nacht wird zum Tag, mit einer guten Säure und einem mineralisch-salzigen Echo. Fruchtig, frisch nach tropischen Früchten mit einem sanften Rosenblatt dekoriert. Die steinigen Böden und flirrende Hitze sind tief im Weinglas verankert.
Wie vorher erwähnt, konnte ich leider nicht alle Weine degustieren. Das lag an einem fiesen zervikalen Kopfwehschub, den ich mir durch die zahlreichen Klimaanlagen und das schwere Tasche schleppen eingefangen habe. Nichts, was ein gutes Schmerzmittel nicht lösen konnte, bis das wirkte, waren wir dann bereits beim Mittagessen. Und von dem muss ich dir auch mehr erzählen!
Die Köchin, eine ältere Spanierin, verwöhnte uns mit einem riiiesen Teller voller leckerster Tapas und gebackenem Bacon. Wir hätten wohl alle schon genug gehabt, aber es folgte ein noch grösserer Teller mit dem besten Lammgigot, das ich jemals gegessen habe, dazu Bratkartoffeln. Und als wäre das nicht genug, kam ein hausgemachter Cheesecake als Dessert. Wir kamen zudem in den Genuss, die beiden Garnacha’s „Nabulé“ zum Essen zu trinken. Zum grossen Glück war zu diesem Zeitpunkt mein Kopfweh weg und ich konnte wieder geniessen.

Giuseppe aus der Gruppe feierte an diesem Tag seinen 30. Geburtstag, und als Ehrengast durfte er sich während des Kerzenausblasens etwas wünschen. Was ich ja cool finde, ist, dass er für seinen runden Geburtstag mit auf die Reise kam und das mit unserer coolen Truppe feierte. Ich glaube, wir waren danach alle im Fresskoma, jedenfalls schliefen wir während der Fahrt zum nächsten Weingut und verdauten das leckere Essen.
Ich hoffe sehr, dass in Zukunft mehr Weine von Aragonesas Bodegas in der Schweiz zu finden sind. Denn sie würden sich definitiv lohnen! Wer weiss, vielleicht liest ja auch ein Importeur hier mit und bekommt Lust, sich der Sache anzunehmen.

