Weinritter Europas

Weinritter Europas

Gastbeitrag von Barbara der reisenden Psychologin und Tochter eines Weinritters.

Rede und philosophiere ich mit jemandem über Wein, merke ich unweigerlich irgendwann im Gespräch, das ich in einer Familie mit einem Weinritter groß geworden bin. Darauf folgt in 99% der Fälle ein fragendes Gesicht, denn kaum jemand kennt den Orden der europäischen Weinritter. Was es damit auf sich hat und wie ein Weinritter denkt, das möchte ich mit diesem Artikel näherbringen.

Was ist der Orden der europäischen Weinritterschaft?

Diese Eidgenossenschaft von Weinliebhaber und -innen ist tatsächlich ein ritterlicher Orden, wie man ihn vielleicht aus mittelalterlichen Filmen kennt. Und dennoch an die heutige Zeit angepasst. Doch was hat es mit dieser Weinritterschaft – dem Ordo Equestris Vini Europae – auf sich? Der tiefe Sinn des Weinritterordens ist so einfach wie schnell erklärt: der Wein steht im Mittelpunkt und wird verehrt. Da der Orden ein christlicher Orden ist, hat der Glauben ebenfalls einen großen Stellenwert. Die Verbindung von Glaube und Wein ist eine äußerst naheliegende. Der Wein als großartige Schöpfung Gottes und Jesus, der Wasser in Wein verwandelte, sind dabei hilfreiche Metaphern. Doch es wäre bloß ein Verein und keine Ritterschaft, wenn diese christliche Verehrung des Weines nicht begleitet wäre von wahren ritterlichen Werten. So wird das Gute und Schöne, die Lebensfreude zelebriert und hoch gehalten, aber auch die europäische Idee im Geiste verteidigt. Der Zusammenhang zwischen Europa, dem christlichen Glauben und dem Weinbau bildet das Fundament dieses Ordens. Tradition, Kultur, aber auch Humanismus  und Verbundenheit der Völker sind die Wertebasis für die Weinritterschaft. Und in diesem Sinne steht der Wein als altes Kulturgut im Mittelpunkt.

Es geht also nicht bloß um Weinwissen, welches man sich deklarativ aneignen kann, sondern um eine liebevolle, verehrende Haltung zum Wein und dessen Genuss sowie um die Wahrung der christlichen, ritterlichen Werte in einem friedvollen Europa. Und hat zur Aufgabe, dem „edlen Wein durch eine edle Gemeinschaft zu dienen“. Alle Artikel der Proklamation sind unter http://www.equesdevino.eu/w/wir-uber-uns/proklamation nachzulesen. Diese beschreiben sehr gut und ausführlich, welche Ziele der Ordo Equestris Vini Europae verfolgt und welche Haltung er vermitteln will.

Die Geschichte des Weinritterordens

Der Ursprung des Weinritterordens liegt im Jahre 1333, als Herzog Otto der Fröhliche die Gesellschaft der Herren von der Kapelle des Hl. Georg gründete. In einem zweiten Schritt stiftete Kaiser Friedrich III. im Jahre 1469 den St. Georgs-Ritterorden. Diesem wurde einige Jahre später eine Bruderschaft zur Seite gestellt, deren Hochmeister eng mit der Stadt Eisenstadt im Burgenland verbunden war. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil Eisenstadt auch heute der Sitz der europäischen Weinritterschaft ist. In den vielen hundert Jahren danach ebbte das Wirken des St. Georgs – Ritterordens ab. Erst 1984 wurde der Orden wiedergegründet, selbstverständlich mithilfe der alten adeligen Familie Habsburg. So wurde also die Idee des christlichen Ritterordens unter der Schirmherrschaft der Nachfahren Kaiser Friedrichs III. wiederbelebt. Wie schon kurz erwähnt, ist Eisenstadt heute wie damals Dreh- und Angelpunkt des Ordens. Hier hat auch der Consul – also die oberste Spitze des Ritterordens – seinen Sitz. Nach und nach sind sowohl in den anderen Bundesländern Österreichs, aber auch in anderen Staaten, Consulate entstanden. So haben mittlerweile auch Ungarn, Bulgarien, Rumänien, die Schweiz, Slowenien, Kroatien, Tschechien und die Slowakei ebenfalls Consulate, die dem Orden unterstehen.

Übrigens: im Gegensatz zu früher dürfen heute auch Frauen dem Orden beitreten. Als „Weindame“  können die weiblichen Weinliebhaberinnen dann ebenfalls ganz offiziell dem Wein huldigen und die Botschaften der europäischen Weinritterschaft in die Welt hinaus tragen.

Ein Weinritter ganz persönlich

Damit die Funktionen und das Wirken des Ordens etwas greifbarer werden, habe ich mich dazu entschieden, den Weinritter Hans Horvatits nach seinen Motivationen, dabei zu sein und seinen Tätigkeiten im Orden zu befragen. Nachdem ich ja direkt an der Quelle sitze, erschien mir das als die naheliegendste Variante – denn wer kann besser über den Weinritterorden erzählen als ein Weinritter selbst?

Hans Horvatits Weinritter

Was war dein Beweggrund zu den Weinrittern zu gehen? Gab es Beitrittsbedingungen? Wie hast du überhaupt davon erfahren?

Ich habe von einem Freund und Geschäftspartner 2001 erfahren, dass es die europäische Weinritterschaft gibt und eine Voraussetzung für den Eintritt ist, gern guten Wein zu trinken. Diese Voraussetzung habe ich mitgebracht, also bin ich im Mai 2002 eingetreten – ich wurde intronisiert, wie man bei uns sagt. Außer der Liebe zum Weintrinken gibt es keine Beitrittsbedingungen. Man braucht bloß einen Empfehlungsgeber, eine Art Paten.

Kostet dieser Beitritt etwas?

Der Beitritt selbst kostet nichts. Allerdings ist ein Obulus für die Einkleidung und das Buch zu bezahlen, welches man erhält. Ansonsten muss man, wie in jeder Vereinigung, eine Gebühr für die Jahresmitgliedschaft entrichten.

Wie empfindest du das Klima bei den Weinrittern? 

Der Orden ist streng hierarchisch organisiert und Entscheidungen werden von Eisenstadt diktiert. Es es herrschen also noch sehr alt verwurzelte Strukturen. Dennoch fühle ich mich sehr wohl, und der Orden nimmt einen wichtigen Platz im Leben ein. Ich genieße es, mit Weinfreuden gemeinsam Wein zu trinken, das ist sehr interessant. Und ich habe im Laufe der Jahre gemerkt, dass die Hierarchie hier schon berechtig ist. Es macht Sinn, dass der Aufstieg in der Weinritterschaft langsam erfolgt, um in die Gemeinschaft hineinzuwachsen. Außerdem geht es nicht darum, jemanden etwas zu beweisen. Die europäische Weinritterschaft ist nicht der ideale Platz, um sich zu profilieren. Da zählen andere Dinge. Was wichtig ist: die Nähe und Ferne zu Weinritterschaft bestimmt jeder selber. Das heißt, es gibt Personen, die einmal im Jahr zum wichtigsten Fest erscheinen, während andere sich mehr im Orden beteiligen. Diese Freiheit hat jeder.

Welche Funktion hast du denn im Weinritterorden?

Seit Jänner 2015 bin ich 2. Senatslegat der Weinidylle Südburgenland (Anm.: Legate sind die Untereinheiten von Consulaten). Dieses Legat umfasst die Bezirke Oberwart, Güssing und Jennersdorf, also das gesamte Südburgenland. Dabei treffe ich gemeinsam mit dem 1. Senatslegat Absprachen, wann und wo wir Festivitäten veranstalten. Außerdem repräsentiere ich gerne und gut die Weinidylle nach außen, pflege ritterliche Freundschaft mit anderen Legaten und bespreche anfallende Beförderungen.

Welche Aktivitäten und Feste organisiert die Weinritterschaft denn so?

Einmal im Jahr feiern wir unser Wappenfest in Maria Weinberg. Dieses findet immer im Juni statt. Weiters gibt es noch das Stiftungsfest in Eisenstadt einmal im Jahr im Oktober, welches international ausgerichtet ist. Dann gibt es noch verschiedene „Beförderungsfeste“ wie etwa das Johannesfest, bei dem einige Mitglieder in einen höheren Rang aufsteigen. Innerhalb des Legats wird im Jänner in der Arbeitssitzung bestimmt, welche Veranstaltung gefeiert werden. Dazu schauen wir uns auch an, wer vielleicht einen runden Geburtstag hat, und wohin wir eventuell eingeladen werden. Denn wir sind auch bei Festen vertreten, die nicht durch uns organisiert werden, wie zum Beispiel beim Blaufränkischturnier auf der Burg Lockenhaus. Dort hatten einige Weinritter die ehrenvolle Aufgabe, die Prämierungen durchzuführen. Außerdem sind wir bei diversen Weinprämierungen gerne als Jurymitglieder geladen.

Das wunderschöne Logo der Weinritter

Gibt es auch Besuche bei anderen Legaten und Consulaten?

Selbstverständlich! Wir pflegen enge Kontakte zu den Legaten innerhalb des eigenen Bundeslandes, wie etwa nach Mattersburg oder Eisenstadt. Vor allem bei deren Festen sind wir aus unserem Legat oft anwesend. Aber auch international sind wir unterwegs. So fahren wir etwa einmal im Jahr nach Slowenien und Kroatien.

Wie gestaltet sich das gemeinsame Weintrinken innerhalb der Weinritterschaft?

Generell ist die sakrale Mitte der Wein. Es geht beim Weintrinken immer um den Wein und nicht um die Person, die ihn trinkt. In jedem Fall ist ein Trinken von sehr guten Weinen auf hohem Niveau – auch wenn es manchmal ganz schön spät wird! Aber das gehört eben dazu. Interessant sind die Weinthemen, die festgelegt werden und die dann durch das Weinjahr begleiten. So hatten wir zum Beispiel einmal den Welschriesling als Thema, im Rahmen dessen wir uns durch diese Sorte gekostet haben. Spannend war auch „Kleiner Bruder trifft großen Bruder“. Dabei gab es den gleichen Wein einmal aus der Bouteille und einmal aus der Magnumflasche. Auch das Thema „Alte Herren – alte Weine“ hat viel Anklang gefunden, als alte Weine aus den Weinkellern ausgegraben wurden. Manchmal machen wir auch Blindverkostungen, zu denen dann rege diskutiert wird und denen meist eine Abstimmung um den besten Wein folgt. Alles in allem ist es schön, mit Freunden gemeinsam Wein zu trinken und darüber zu sprechen.

Welcher ist dein Lieblingsspruch bzw. Lieblingsleitsatz?

Da habe ich mehrere. Natürlich ist unser zentraler Leitspruch „In honorem Dei et in honorem Vini“ sehr wichtig für mich. Aber auch der wichtige Satz „Erst wenn du den Neid besiegst, und dich für andere einsetzt, bist du ein wahrer Ritter“ hat große Bedeutung. Er steht für all das, was einen Ritter ausmacht. Außerdem mag ich den Spruch „Ein Weinritter ist nie betrunken, sondern nur überkostet!“. Wir saufen ja nicht, wir trinken und genießen *lacht*.

Kann ein Weinritter überhaupt einen Lieblingswein haben und wenn ja, welchen?

Ja, jeder kann seinen Lieblingswein haben. Bei mir hat sich das im Laufe der Zeit auch gewandelt. Früher mochte ich eher Rotweine, dann hat sich die Vorliebe eher zum Weißwein hin verlagert. Meine Lieblingssorten sind dabei der Welschriesling und der Grüner Veltliner, aber auch der Sauvignon Blanc und der Gelber Muskateller. Eigentlich genau in dieser Reihenfolge.

Was ist der Mehrwert für dich, den Weinrittern anzugehören?

Natürlich der Zugang zu ausgezeichneten Weinen und das Trinken in netter Gesellschaft. Ich habe Gelegenheit, die Liebe zum Wein zu zelebrieren und nach außen zu tragen. Außerdem habe ich durch die Weinritterschaft Persönlichkeiten kennengelernt, mit denen ich nie Kontakt knüpfen hätte können, wie einigen hochrangigen Personen. So lernte ich zum Beispiel seine königliche und kaiserliche Hoheit Karl Habsburg kennen oder die Gräfin Eszterhazy aus Eisenstadt. Durch die enge historische Verbindung zu den Habsburgen sind viele Adelige dabei. Dadurch, aber auch durch den Stand des Ritters hat man so auch einmal Gelegenheit, sich adelig zu fühlen. Das ist ein netter Nebeneffekt!

Ich bedanke mich recht herzlich für den interessanten Einblick in die Welt eines Weinritters!

Über die Autorin

Barbara bloggt eigentlich über´s Reisen. Auf ihrem Blog www.reisepsycho.com schreibt die reisesüchtige Psychologin hauptsächlich über tolle Orte in Europa und ermöglicht Einblick in die Gefühle, die ihre Reisen begleiten. Die große Liebe zum Süden hängt aber auch mit ihrer Leidenschaft für guten Wein zusammen – zum Reisen gehört schließlich auch Genuss 🙂 !